Nachklang in den 1920er und 1950er Jahren

Stadion am Zoo, 1924, Foto: Hugo Schmölz

Nachklang in den 1920er und 1950er Jahren

Die 1920er Jahre

Schwebebahnstation Döppersberg, Köbo-Haus, 1925/26, nach einem Entwurf von Clemens Julius Mangner, Foto 1993
Katholische Grundschule Corneliusstraße, Vohwinkel, 1929/30 nach Plänen von J.W. Hollatz erbaut; sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergehend zum Sitz der kriegszerstörten Kunstgewerbeschule in Barmen unter dem neuen Namen Meisterschule Wuppertal. Das Foto zeigt das 1948/49 nach der Silhouette der Schule gestaltete Logo.
Prämierter Entwurf (1. Preis) zur Neugestaltung des Brausenwerths, Elberfeld von Friedrich Siepermann, 1923

Nach der zivilisatorischen Katastrophe des Ersten Weltkrieges (1914 – 1918) wagte die Baukunst in Deutschland und weltweit den Neuanfang. Die sachliche Variante des Jugendstils, wie sie sich in Glasgow und Wien gezeigt hatte, setzte sich nun durch, und vollzog den Bruch mit der Vergangenheit. Der von Adolf Loos um 1900 so radikal geforderte Ornamentverzicht in der angewandten Kunst kommt nun im Neuen Bauen oder Internationalen Stil der 1920er Jahre weltweit zum Tragen, wird zum dominierenden Stil der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In der Innenraumgestaltung erlebt die geometrisch-funktionale Jugendstilvariante eine Renaissance im Art Déco. Mit der nun geächteten Fassadenkunst des Historismus gerät auch der Jugendstil in Misskredit, wird zur gestrigen Kunst. Viele Jugendstilhäuser werden abgebrochen oder modernisiert. Nur Wenige erkennen früh die Entwicklungslinien zwischen dem Neuen Bauen und dem Innovationsspektrum des Jugendstils.

Der Aufbruch in eine neue Zeit erfolgt unter schwierigen Bedingungen. Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren; das Kaiserreich, der Glanz der Wilhelminischen Ära waren auf einen Schlag zu Ende. Das Land war nunmehr eine demokratische, allerdings eine ungeliebte, von weiten konservativen Kreisen der Bevölkerung nicht angenommene Republik. Die harten Bedingungen des Versailler Friedensvertrags erschwerten den Start der Weimarer Republik, die Reparationsforderungen drückten die Volkswirtschaft nieder. Die Wupperstädte Elberfeld und Barmen hatten ihren wirtschaftlichen Zenit schon vor 1900 überschritten; die gesamtwirtschaftlichen Folgen des verlorenen Krieges verstärkten noch einmal die eigene Strukturkrise. 1929 bündeln die Schwesterstädte ihre Kräfte, nehmen die Kleinstadt Vohwinkel sowie die Gemeinden Cronenberg und Ronsdorf und die Ortschaft Beyenburg mit ins Boot. Gemeinsam gründen sie die Stadt Wuppertal, um sich gegen den wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang, gegen das Herabsinken in die Provinzialität zu stemmen. Bis dahin aber gehen Elberfeld und Barmen noch getrennte Wege, leben ihre traditionelle Rivalität. Das vergleichsweise wirtschaftlich noch stärkere Elberfeld verfolgt ehrgeizige Pläne. Ganz bewusst wird im Elberfeld der 1920er Jahre eine neue Stadtbaukunst unter der Ägide des Elberfelder Stadtbaurats Koch gewagt, die sich insbesonders im Siedlungsbau, in Plänen zur Neugestaltung des Brausenwerths und dem Neubau des Stadions am Zoo manifestieren sollte. Auch privat wird noch in beiden Wupperstädten investiert, im Wohnungsbau mit Villen und Mehrfamilienhäusern, in neue Fabriken, neue Warenhäuser.

Postamt Elberfeld, Platz am Kolk 1, Wuppertal Elberfeld, 1928, Foto: Sigurd Steinprinz, 1993

So realisiert sich im Wuppertal der 1920er Jahre eine eindrucksvolle Architektur im neuen Stil überwiegend in der kubischen, aber auch in der organischen Variante, mit abgerundeten Formen ähnlich dem Werkbundtheater

von Henry van de Velde (Köln 1914). In der Villenarchitektur setzen die Architekten Friedrich Siepermann aus Barmen und vor allem der Kölner Hans Heinz Lüttgen besondere Akzente.

Siedlungen

Die Villen von Hans Heinz Lüttgen

Villen von Friedrich Siepermann

Die Schwimmoper auf dem Johannisberg in der Abenddämmerung; 1955/57 nach Plänen von Friedrich Hetzelt erbaut, Foto: wiki cc Matthias Böhm, 2015

Die 1950er Jahre

Der Zweite Weltkrieg mit seinen Toten, dem Völkermord an den Juden, den Vertreibungen und Verwüstungen vor allem der Städte war noch einmal eine Steigerung des Grauens gegen über dem vorausgegangen Krieg von 1914 – 1918. Auch die Wupperstädte werden von den Bomben heimgesucht. In wenigen Nächten versinken große Teile der historischen Architektur, die sichtbaren Zeichen einer glanzvollen Vergangenheit in Schutt und Asche – vor allem an den Südhängen. Das Barmer Villenviertel am Tölleturm wird fast gänzlich ausgelöscht.

Der Wiederaufbau erfolgt kleinmütig-pragmatisch, ohne Visionen. Die Nationalsozialisten hatten auch das Terrain Visionen okkupiert und deformiert. Das Nahziel ist eine wieder funktionierende Stadt mit dem Aufbau der Infrastruktur und Wohnungen für die ausgebombten Menschen. Der Fokus ist auf das neue Verkehrsmittel gerichtet und somit wird eine autogerechte Stadt geplant.

Die bewusst gewählte architektonische Sprache ist die Anknüpfung an das Neue Bauen der 1920er Jahre. Das Ornament in der angewandten Kunst wird nun tatsächlich zum Verbrechen, wie Adolf Loos es in seiner radikalen Sprache schon um 1900 gebrandmarkt hatte, so als könne man mit der Ächtung des Ornaments die Schatten des 19. Jahrhunderts bannen, den Geist der Wilhelminischen Ära, der zum Erstarken des Nationalismus, zum Ersten Weltkrieg, zur Wegbereitung für die Nationalsozialisten beigetragen hatte und schließlich in das Grauen des Zweiten Weltkriegs gemündet war.

Hatte das Bauen der 1920er Jahre noch Gestaltungskriterien der Arts-and-Crafts-Bewegung wie Matrialgerechtigkeit (gutes Material und gute Verarbeitung) oder Ökologie beachtet neben einer Forderung, das Bauen für alle erschwinglich zu machen, so wird nach dem Krieg überwiegend nach dem Motto schnell und billig gebaut. Für die architektonische Landschaft hatte beides verheerende Folgen, eine gesichtslose neue Architektur des Wiederaufbaus einerseits und gleichzeitig den Abbruch oder Modernisierung noch intakter Gebäude aus der Zeit des Historismus und des Jugendstils: Das Abschlagen des Ornaments im Inneren und Äußeren, das Verkleiden der Fassaden mit neuen Werkstoffen, das Herausreißen der historischen Türen, der Fensterrahmungen, der Buntglasfenster, der Stuckdecken….

Für Wuppertal als eine Stadt des 19. Jahrhunderts bedeuteten der visionslose Wiederaufbau und die durch den Zeitgeist bedingten Abbrüche und Modernisierungen noch einmal eine schmerzliche Einbuße an kulturellem Erbe, an Urbanität und Attraktivität. Ein Glück, dass durch Geldmangel oder Umdenken doch noch so viel historische Architektur erhalten geblieben ist. Ein Glück, dass die Pläne, die Historische Stadthalle abzureißen, nicht umgesetzt wurden. Die Schwimmoper, gleich neben der ehemaligen Elberfelder Stadthalle, ein Entwurf des damaligen Baudezernenten Hetzelt, ist allerdings erwähnenswert, bereichert die architektonische Landschaft.

Haus Waldfrieden, Barmen, 1947-50, Architekt: Franz Krause, Foto: Jörg Lange 2011

Abseits vom mainstream der Architektur und der öffentlichen Wahrnehmung kann nach dem Zweiten Weltkrieg in Wuppertal der ganzheitliche Anspruch der Jugendstilbewegung Fuß fassen, entfaltet sich im Bereich Unterbarmen die organische Bauweise Rudolf Steiners mit ihrem Höhepunkt Haus Waldfrieden des Lackfabrikanten Kurt Herberts.

Die Theosophie – aus England kommend – gehörte zu den ganzheitlichen Erneuerungsbewegungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts (s. Jugendstilbewegung). Im Kern war sie eine Verbindung von abendländlich-christlicher Kultur und fernöstlichen Weisheitslehren. Ihr früher deutscher Sitz war ab 1884 in der Platzhoffstraße in Elberfeld im Haus der Familie Gebhard. mehr…

Ein halbes Jahrhundert nach Steiners erstem Vortrag im Wuppertal (1909), wird in Unterbarmen die erste Waldorfschule Wuppertals gegründet, die Rudolf Steiner Schule. Es folgen die Christian Morgenstern Schule und ein Netzwerk von heilpädagogischen Einrichtungen für Kinder, Heranwachsende, Erwachsene wie das Troxler Haus, die Alpha Werkstätten (heute Proviel) oder Hof Sondern. An der Stadtgrenze zu Neviges entsteht ein Verbund von alternativen Bio-Bauernhöfen.

Die Neu- und Umbauten der Einrichtungen zeigen den Einfluss Rudolf Steiners, dessen organische Architekturauffassung zum Aufbruch um 1900 gehört, auch wenn sein bekanntestes Werk, das 2. Goetheanum in Dornach erst 1925 – 28 erbaut wurde.

Zu den großen Förderern des ganzheitlichen Erziehungs- und Lebenskonzepts in Wuppertal gehörte der Lackfabrikant und bekennende Anthroposoph Kurt Herberts. Während des Krieges hatte Herberts – offenbar geschützt durch seine guten wirtschaftlichen Kontakte zu den Nationalsozialisten –

verfemten Künstlern wie Willi Baumeister und Oskar Schlemmer Wohnsitz, Aufträge und Arbeitsmöglichkeiten in Wuppertal geschaffen. Ab 1947 entwarf der Maler und Architekt Franz Krause in kongenialer Einstimmung auf seinen Bauherrn Kurt Herberts das Gesamtkunstwerk Haus Waldfrieden inmitten eines großen Parks auf den Südhöhen Unterbarmens.

Haus Waldfrieden, Barmen. 1947-150, Architekt: Franz Krause, Foto: Jörg Lange 2011

Ein Glücksfall für die Stadt, dass der in Wuppertal lebende Künstler Tony Cragg das Anwesen 2006 gekauft und in einen Skulpturenpark verwandelt hat. Cragg hatte das Haus Waldfrieden an die organische Architektur des Katalanen Antonio Gaudi erinnert.

Inzwischen ist der Skulpturenpark, in dem die Verbindung der Künste, Musik, Tanz, Literatur, bildende Kunst und die Verbindung von Kunstschaffenden aus aller Welt gelebt wird, ein internationaler Anziehungspunkt geworden. Das Konzept zeigt eine große Nähe zum künstlerischen Aufbruch von 1900.

Skulpturenpark Waldfrieden, Tony Cragg, Points of View, 2007, Bronze je 550x120x125cm, Foto: Jörg Lange 2011